War es nur ein Sturm im Wasserglas oder doch eine Art Revolte, die sich in den letzten Wochen in der Verwaltungsgemeinschaft Hexental abspielte? Oder ein Lehrstück für den Umgang mit widerspenstigen Gemeinderäten? Was war passiert: Wegen umsatzsteuerlicher Vorgaben musste die Satzung des Verbandes angepasst werden. Dazu wurde ein neuer Paragraph „Umsatzsteuer“ eingefügt. Doch dabei blieb es nicht. Bei näherer Prüfung stellte man fest – insbesondere aufgrund von Hinweisen der Rechtsaufsicht -, dass die alte Satzung, die mehr oder weniger unverändert seit fünfzig Jahren gilt, erhebliche Lücken und strukturelle Defizite aufweist. So etwa ungeklärte Zuständigkeiten der beiden Organe Verbandsvorsitzender und Verbandsversammlung. Aus der ursprünglich kleinen Satzungsreform wegen der Umsatzsteuer wurde nun plötzlich eine umfassendere Reform mit einem neuen Organ, nämlich einem Verwaltungsrat, bestehend aus den Bürgermeistern, verbunden mit einer Verlagerung von Zuständigkeiten und Kompetenzen von der Verbandsversammlung auf diesen Verwaltungsrat. Die Verbandsversammlung besteht aus den Bürgermeistern der Mitgliedsgemeinden und je einem Gemeinderat pro angefangenen 1000 Einwohnern jeder Mitgliedsgemeinde.
Bemerkenswert ist die Sprachregelung, mit der die Einführung des Verwaltungsrats in der Satzung begründet wurde: Diesen habe es informell schon immer gegeben, als „Bürgermeisterrunde“, es sei gar nichts Neues, man würde den Status quo jetzt lediglich formal in der Satzung verankern. Bisher, so die Verantwortlichen, habe man hier in einem „Graubereich“ agiert. Die stillschweigende Zustimmung dazu durch die Verbandsversammlung habe man als ausreichende Legitimation angesehen. Eine Rechtsauffassung, an der man mindestens ein großen Fragezeichen anbringen darf.
Weil nun aber Satzungsänderungen der VG nur mit Zustimmung aller fünf Mitgliedsgemeinden möglich sind – die VG Hexental umfasst die Gemeinden Au, Horben, Merzhausen, Sölden und Wittnau -, wurde der neue Satzungsentwurf im November den Gemeinderäten zur Abstimmung vorgelegt. Für die lokalen Gemeinderäte, die bis dahin davon ausgegangen waren, dass lediglich das Problem mit der Umsatzsteuer in der Satzung geregelt wird, kamen die unangekündigten, sehr viel weiter gehenden Änderungen überraschend. Mit dem Ergebnis, dass in Horben und Wittnau der Entwurf zunächst abgelehnt wurde. Als Gründe für die Ablehnung wurden sowohl inhaltliche Fragen genannt (neues Organ, neue Zuständigkeiten) als auch Kritik am Verfahren geübt. Im Rat Merzhausen gab es eine mehrheitliche Zustimmung, allerdings auch mit einiger Kritik und vier Nein-Stimmen von dreizehn.
Nachdem durch die Ablehnung in Horben und Wittnau eine einheitliche Abstimmung zu den Änderungen in der Verbandsversammlung in Gefahr schien, wurde von der VG-Verwaltung auf die Schnelle eine abgespeckte Version der Satzung erstellt, die nur noch die steuerrechtliche Anpassung enthielt und einige redaktionelle Ergänzungen. Diese zweite Fassung wurde dann als „Vorratsbeschluss“ neben der umfassenderen Satzungsänderung in den Gemeinden in den folgenden Wochen zur Abstimmung vorgelegt – für den Fall, dass der umfassenden Änderung nicht von allen Gemeinden zugestimmt würde. In Sölden (23.11.22) und Au (28.11.22) wurden beide Fassung mehrheitlich beschlossen, wobei Einstimmigkeit nur für den Vorratsbeschluss erzielt wurde. Horben und Wittnau wurden zum „Nachsitzen“ verdonnert und am 6.12. bzw. 8.12.22 zu einer Sondersitzung einbestellt in der Absicht, die erste Ablehnung durch eine erneute Beschlussfassung in eine Zustimmung zu verwandeln. Auch Merzhausen, das bereits am 10. November der weitergehenden Satzungsänderung zugestimmt hatte, musste nochmal tagen, um die Vorratsfassung für den Fall der Fälle zu beschließen.
Am Ende war es nur der Gemeinderat Wittnau, der sich nicht dem Druck beugte und mit deutlicher Mehrheit bei seiner ersten Ablehnung des umfassenderen Entwurf blieb. Dem Vorwurf von Ratsmitgliedern, man habe sich stark unter Druck gesetzt gefühlt, wurde von Bürgermeister Kindel widersprochen. Auch das zeigt, wie wenig sensibel vonseiten der Protagonisten der Satzungsänderung agiert wurde. Rechtlich umstritten blieb auch, ob es überhaupt zulässig war, den Gemeinderat zu einem bereits erledigten Verhandlungsgegenstand innerhalb kurzer Frist erneut zur Abstimmung zu verpflichten. Die Geschäftsordnung des Wittnauer Rats jedenfalls schließt dies ausdrücklich aus.
Das Ende vom Lied: Weil der Wittnauer Rat sich „uneinsichtig“ verhielt und die große Satzungsreform erneut ablehnte, konnte die Verbandsversammlung am 8.12.22 nur den „Vorratsbeschluss“ aufrufen und abstimmen lassen, dem alle fünf Gemeinderäte einstimmig zugestimmt hatten. Kommentiert wurde diese Entscheidung vom Verbandsvorsitzenden Ante – und deutlich adressiert an Wittnau -, man werde dadurch in der Arbeit behindert und zurückgeworfen, der Verwaltungsrat könne nun nicht mehr wie bisher agieren, und das sei ein Rückschritt, das Kind sei in den Brunnen gefallen, nun müsse die Verbandsversammlung sechs bis achtmal im Jahr tagen und selbst die kleinsten Entscheidungen im Gremium fällen, und ähnliche Katastrophenszenarien.
Man darf aber davon ausgehen, dass die beschworene Katastrophe sich weitgehend in Wohlgefallen auflösen wird und die Verwaltungsgemeinschaft einen pragmatischen Arbeitsmodus findet. Die große Satzungsreform ist lediglich um ein paar Monate verschoben und wird im neuen Jahr zügig in Angriff genommen. Alle Gemeinderäte haben signalisiert, dass sie sich konstruktiv in diesen Prozess einbringen werden.
(Näheres zur Geschichte Der Verwaltungsgemeinschaft Hexental und zu den Diskussionen um die Satzungsänderung finden Sie auch auf der Homepage des Horbener Gemeinderats Hans-Peter Buttenmüller )